Es waren nicht nur die ganz großen medienpolitischen Themen, die 2012
für Aufsehen sorgten. Im Juli machte die Aushebung eines riesigen
Cardsharing-Rings in Niedersachsen Schlagzeilen. Die erfolgreiche
Operation der Ermittlungsbehörden verdeutlichte, welche Ausmaße die
Hacking-Vergehen gegen Pay-TV-Anbieter annehmen können.
Für Pay-TV-Anbieter sind Hacking und Cardsharing trotz umfangreicher
Sicherheitssoftware nach wie vor ernst zu nehmende Probleme. In vielen
Fällen ist es jedoch schwer, den Tätern, die illegal Zugänge zu
Pay-TV-Plattformen verkaufen, auf die Spur zu kommen oder derer Habhaft
zu werden. Umso größere Aufmerksamkeit erregte im Juli eine Razzia der
Ermittlungsbehörden in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Insgesamt
1200 Beamte der Polizeidirektion Göttingen und Hannover, der
Landeskriminalämter Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, der Polizei
Iserlohn und weiterer Polizeidienststellen hebelten am 19. Juli einen
Bundesweit agierenden Cardsharing-Ring aus. Nach zeitgleichen
Durchsuchungen und Beschlagnahmungen an 23 Orten wurden
Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 26 Personen im Alter zwischen 17
und 62 Jahren aufgenommen.
Der Verdacht lautete: Ausspähen von Daten, gewerbsmäßiger
Computerbetrug, Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen,
gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke
und gewerbsmäßiger Betrug. Ganz konkret stand dabei ein 50-Jähriger aus
dem Landkreis Nienburg/Weser im Verdacht, im Internet illegale
Zugangsmöglichkeiten zu diversen Pay-TV-Angeboten - darunter Sky und HD
Plus - verkauft zu haben. Auch manipulierte Receiver seien im
Versandhandel des Beschuldigten zu erwerben gewesen.
Dem 50-Jährigen wurde vorgeworfen mit mehreren sogenannten
Cardsharing-Servern ein illegales "Piratensystem" für bis zu 1300 Kunden
aufgebaut zu haben. Die manipulierten Receiver sollen zudem durch
einen 38-jährigen Beschuldigten in einem Ladengeschäft in Delmenhorst
vertrieben worden sein.
Schnell machte auch die Information die Runde, dass die durch die
illegalen Machenschaften geschädigten Unternehmen Sky Deutschland und
Nagravision die Ermittlungen der Behörden mit fachlich-technischer Hilfe
unterstützt hatten. Holger Ippach von Nagravision bestätigte dies
wenig später gegenüber DIGITAL FERNSEHEN: "Unsere Vorarbeit führte
direkt zum Verdacht und löste spätere Ermittlungen aus." Wie weit dabei
die Unterstützung für die Behörden tatsächlich ging, darüber schwieg
man sich bei Nagravision und Sky in Hinblick auf die laufenden
Ermittlungen allerdings aus.
Unangenehm wurde die Situation jedoch nicht nur für die vermeintlichen
Mitglieder des Cardsharing-Rings, sondern auch für die Käufer der
illegalen Pay-TV-Zugänge und der manipulierten Receiver. So bestätigte
Staatsanwalt Lutz Gaebel von der zuständigen Staatsanwaltschaft Verden
(Aller) gegenüber DIGITAL FERNSEHEN, dass auch diese sich Strafbar
gemacht haben dürften.
Zu dem durch den Betrug entstandenen Schaden herrscht jedoch weiterhin
keine Klarheit. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst eine vermutete
Schadenssumme von 120 000 Euro ausgegeben. Nagravision-Vertriebsleiter
Holger Ippach machte eine einfache Rechnung auf: "Einen ersten
Anhaltspunkt (zur Schadenssumme) bietet natürlich die Anzahl der Nutzer
dieses illegalen Cardsharing Rings. Da diese bei weit über eintausend
liegt, landet man in Verbindung mit der durchschnittlichen Monatsgebühr
eines Pay TV-Paketes ziemlich schnell bei weit höheren Beträgen."
Dass das Hacking von Pay-TV-Systemen auch in Zukunft ein Problem
bleibt, ist wahrscheinlich. Nicht zuletzt für die Übertragung von
verschlüsselten Inhalten auf mobile Geräte werden ganz neue
Sicherheitsvorkehrungen notwendig werden, da in diesen Fällen die
Entschlüsselung idealerweise erst auf den Endgeräten erfolgt. Für die
Pay-TV-Anbieter selbst ist es mitunter ein schwieriger Spagat, wollen
diese doch einerseits ihre Inhalte möglichst gut schützen aber
andererseits keinen Trend verschlafen.
Quelle: Digitalfernsehen