Kabelstreit: Aufstand der Öffentlich-Rechtlichen

  • Der Streit um die Einspeiseentgelte geht in seine heiße Phase über.
    Während die ARD bereits zu Alternativen wie Satellit rät, versuchen die
    Kabelnetzbetreiber ihren Standpunkt vor Gericht durchzusetzen.
    Einigkeit besteht nur in einem Punkt: die Verbraucher sollen nicht
    leiden. Aber wie?




    Der Countdown im Streit um die künftige Zahlung von Einspeiseentgelten
    läuft: In wenigen Tagen laufen die aktuellen Verträge der
    öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit den großen
    Kabelnetzbetreibern aus. Ab dem 1. Januar wollen ARD und ZDF definitiv
    nicht länger an diesem "historisch überholten" Modell festhalten, wie
    ZDF-Intendant Thomas Bellut die von Unitymedia Kabel BW und Kabel
    Deutschland veranschlagten Gebühren nannte. Immerhin kassierten die
    Anbieter auf diese Weise doppelt ab. Daher haben die
    Öffentlich-Rechtlichen im Juni ihre laufenden Verträge gekündigt und so
    den bereits schwelenden Brand vollends entfacht. Denn die
    Kabelanbieter wollen den damit einhergehenden Verlust von etwa 60
    Millionen Euro im Jahr, die ARD und ZDF als Entgelte zahlen, nicht
    hinnehmen.




    Dreh- und Angelpunkt beider Argumentationen sind die sogenannten
    Must-Carry-Regeln, nach denen die Kabelanbieter verpflichtet sind, die
    Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu verbreiten.
    Der große Streitpunkt ist dabei das Geld: Während ARD und ZDF davon
    ausgehen, dass die Kabelnetzbetreiber auch ohne Entgelte dazu
    verpflichtet sind, die Sender zu verbreiten, beharren die Anbieter
    darauf, dass nirgendwo geschrieben stehe, dass dies kostenlos erfolgen
    müsse. Kabel Deutschland brachte diesen Sachverhalt auf die kurze Formel
    "must carry = must pay".




    Die KDG ging Ende Juli schließlich in die Offensive und reichte Klage
    gegen ARD und ZDF ein. Grundlage für die von Kabel Deutschland
    vertretene Haltung ist ein im Auftrag des Kabelnetzbetreibers
    erstelltes Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass ARD und ZDF
    weiterhin dazu verpflichtet seien, die Gebühren zu zahlen. Denn da die
    gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten eine flächendeckende Verbreitung
    ihrer Programme gewährleisten müssen und die Kabeleinspeisung dafür
    ein wesentlicher Bestandteil ist, "sind öffentlich-rechtliche
    Rundfunkanstalten verfassungsrechtlich derzeit zur Kabeleinspeisung
    verpflichtet", wie es in dem Dokument hieß. Zudem drohte die KDG damit,
    öffentlich-rechtliche Sender auszuspeisen, sollte es zu keinem neuen
    Vertrag mit ARD und ZDF kommen.




    Die Öffentlich-Rechtlichen zeigten sich wenig beeindruckt: "Die KDG
    weiß genau, dass sie rundfunkrechtlich verpflichtet ist, die Programme
    des ZDF, einschließlich der Partner- und der Digitalkanäle zu
    verbreiten", sagte ZDF-Sprecher Alexander Stock im Juli gegenüber
    DIGITALFERNSEHEN.de. Im Dezember klang der Tenor ähnlich:
    MDR-Intendantin Karola Wille sagte, dass Niemand schwarze Bildschirme
    befürchten müsse - falls doch rät sie den Betroffenen, sich über
    Alternativen wie Satellit, IPTV oder Internet zu informieren. Auch die
    Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz legte den Kabel-Kunden bereits einen
    Wechsel nahe, denn sie sind es am Ende, die von dem Streit und seinen
    eventuellen Konsequenzen betroffen sind.






    Dabei wollen alle Beteiligten nach eigenen Aussagen genau das
    vermeiden. Karola Wille rief erst Anfang Dezember dazu auf, den Streit
    nicht auf dem Rücken der Kabel-Kunden auszutragen. Auch Unitymedia Kabel
    BW bekräftigte diese Absicht, zumal der Anbieter ohnehin von
    vornherein auf Gespräche setzte und zumindest bisher keine Reduzierung
    des öffentlich-rechtlichen Angebots angekündigt hat. Klage wurde
    mittlerweile aber doch eingereicht.Kabel Deutschland fährt zwar bisher
    den aggressivsten Kurs, hat aber ebenfalls "kein Interesse, den Vorstoß
    von ARD und ZDF, ab 2013 keine Einspeiseentgelte mehr zu zahlen, zu
    Lasten unserer Kunden auszutragen", wie Sprecher Marco Gassen vor
    wenigen Tagen gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de erklärte. Man sei nach wie
    vor an einer einvernehmlichen Lösung interessiert, sollte eine solche
    aber nicht zu Stande kommen, sehe man sich gezwungen, das
    Leistungsspektrum für die öffentlich-rechtlichen Sender zu überprüfen,
    so Gassen weiter.




    Die Frage, die sich Kabel-Kunden trotz aller versicherten Absichten
    aber dennoch stellen, ist klar: Was passiert am 1. Januar? Bleibt der
    Bildschirm auf einigen Sendern schwarz, wie von Kabel Deutschland
    angedroht? Eine Einigung im Kabelstreit ist bisher nicht in Sicht, auch
    wenn solche Entscheidungen traditionsgemäß erst am letzten Tag (31.
    Dezember) getroffen werden. Branchenexperten gehen derzeit von zwei
    verschiedenen Szenarien aus: Das Wahrscheinlichere sieht vor, dass ein
    gesetzlich vorgeschriebenes Grundangebot - basierend auf den
    Must-Carry-Regeln - kostenlos verbreitet wird, während für
    Zusatzprogramme wie die Digitalkanäle oder auch die HD-Sender weiter
    gezahlt wird.




    Im zweiten Szenario würden alle Programme, die nicht zu den gesetzlich
    Vorgeschriebenen zählen, wegfallen. Betroffen wäre davon vor allem das
    analoge Kabel, denn laut Gesetz müssen nur mindestens sieben Programme
    darüber verbreitet werden. Digital sind alle 22 Sender von ARD und ZDF
    Pflicht, daher haben Kabel-Kunden mit einem digitalen Anschluss kaum
    Grund zur Sorge. Im allerschlimmsten Fall könnten die Anbieter die
    Endkundentarife erhöhen, ein Schritt, vor dem die KDG bereits gewarnt
    hat.




    Dennoch steigt die Spannung, was ab dem 1. Januar passieren wird. Von
    gerichtlicher Seite wird kaum mit einer zeitnahen Entscheidung zu
    rechnen sein. Die Prozesse haben erst begonnen, im Fall Kabel
    Deutschland gegen den RBB soll erst am 14. März ein Urteil fallen. Die
    KDG machte bereits klar, dass man auch mit unterschiedlichen Urteilen
    leben und dann individuell mit angepassten Einspeiseentgelten reagieren
    könne. So lang die Verfahren laufen, ist allerdings auch schwerlich
    mit einer Einigung zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den
    Kabelanbietern zu rechnen. Immerhin hoffen sicherlich beide Parteien,
    als Sieger aus dem Gericht hervorzugehen.




    Sollten dies ARD und ZDF sein, haben die Privatsender bereits
    angekündigt, eine Ungleichbehandlung bei der Kabeleinspeisung nicht
    hinnehmen zu wollen. Da diese sich jedoch nicht auf die
    Must-Carry-Regeln stützen können, wären dann wohl wieder die Gerichte
    gefragt, denn sowohl Kabel Deutschland als auch Unitymedia Kabel BW
    werden nicht freiwillig auch noch auf die Millionen der Privaten
    verzichten.




    Quelle: Digitalfernsehen