HD Plus-Chef Schneckenburger setzt auf Smart TV

  • HD Plus-Chef Schneckenburger setzt auf Smart TV


    Einst scharf in der Kritik, war HD Plus-Geschäftsführer Timo Schneckenburger letztlich Wegbereiter für HDTV. Er glaubt: "HD Plus ist fair, transparent und offen." Ein Interview über Smart TV, natives HD und die Notwendigkeit von Preiserhöhungen.


    Herr Schneckenburger, beim Start von HD+ standen Sie von Konsumenten-Seite aus scharf in der Kritik - heute bieten die Kabelnetzbetreiber HD-Pakete zu ähnlichen Konditionen an wie Sie. Ist das Erleichterung und Genugtuung für die Prügel der ersten Jahre?


    In der Tat ist zunächst einmal Freude, Zufriedenheit und sicherlich auch eine Prise Stolz dabei, HD+ etabliert zu haben. Wir hatten 2008/2009 ja ein klassisches Henne-Ei-Problem. Es hat ja schon vor HD+ einen Versuch zweier Privatsender gegeben, HD zu etablieren. Nur hat man schnell bemerkt, dass keine passenden Receiver am Markt vorhanden waren und es daher keine kritische Masse an Zuschauern gab. Alle Marktteilnehmer haben aufeinander geschaut, wer sich zuerst bewegt. Die Sender haben darauf geachtet, dass genügend technische Reichweite vorhanden ist, sprich HD-fähige Empfangsgeräte. Die Hersteller der Hardware haben wiederum immer auf die Sender geschaut und gesagt: „Stop mal, wenn ihr nicht in HD ausstrahlt, dann brauchen wir auch keine Receiver produzieren.“ Mit HD+ haben wir in gewissem Sinne den Gordischen Knoten durchschlagen und den Sendern eine Möglichkeit aufgezeigt, die zusätzlichen Kosten für die parallele Ausstrahlung in HD zumindest teilweise zu refinanzieren. Und die Hardware-Industrie hat gesehen: Da tut sich was, jetzt legen wir auch los. Wir haben also allen Beteiligten ein planbares Geschäftsmodell ermöglicht. Ich glaube das ist der Hauptgrund, warum HD+ heute so gut da steht und sogar über den Erwartungen liegt, weil wir sehr peinlich auf zwei Dinge geachtet haben: Erstens, dass Sender, Hardwarehersteller und Handel von dieser Idee profitieren und zweitens, dass der Zuschauer ein Modell vorfindet, das fair, transparent und offen ist.


    Da würde ich Ihnen aber zum Teil widersprechen...


    Ich erinnere mich noch gut als wir damals drüben im Konferenzraum saßen und Nächte lang diskutiert haben, wie dieses Geschäftsmodell „HD für FreeTV-Kanäle“ aussehen sollte. Es gab ja nichts woran wir uns orientieren konnten, weil wir die Ersten waren. Und wofür haben wir uns entschieden? Nicht für ein Pay-TV-Modell. Wir sind so weit weg wie möglich vom Pay-TV. Wir haben bewusst auf Abos, Sternchentexte, automatische Verlängerungen und Negativoptionen verzichtet. Stattdessen geben wir dem Kunden das Produkt so lange wie möglich zum Testen. Er entscheidet, ob er das Produkt gut findet oder eben nicht. Ohne Haken und Ösen. Und ob er verlängert oder nicht. Die lange Testphase von 12 Monaten war und ist sinnvoll, denn HD müssen sie erleben.


    Es kostet nur eben etwas. Bringt das HD+ nicht in die Nähe von Pay-TV?


    Wir reden von einem monatlichen Preis, für den sie in manchen Cafés gerade mal eine Tasse Cappuchino, aber manchmal nicht einmal mehr eine Tüte gebrannter Mandeln auf dem Jahrmarkt bekommen. Es sind im Monat umgerechnet 4,16 Euro. Dafür bekommt der Zuschauer ein kleines Stück Luxus, einfach zu Hause zu sitzen und sagen zu können: „Endlich lohnt sich auch der neue Flachbildschirm, was für ein geiles Bild.“ HD+ ist günstig. Vergleichen Sie das mal mit dem, was jetzt die Kabelnetzbetreiber anbieten. Und da haben Sie Vertragslaufzeiten, Kündigungsfristen und unter dem Strich deutlich höhere Kosten. Man darf nicht vergessen, dass bei HD+ alle anderen Programme über ASTRA Satellit ohne monatliche Anschlusskosten empfangen werden können. Das macht ASTRA und HD+ ja auch aus Sicht der Stiftung Warentest zum Preis-Leistungssieger beim digitalen TV-Empfang. Aber aus der journalistischen Perspektive sehen Sie natürlich trotz allem zunächst einmal die monatlichen Kosten…


    Das stimmt. Und was sehe ich Ihrer Meinung nach anders?


    Es gab vor allem am Anfang eine kleine Schar von Spottern und Nörglern, die den Mehrwert von HD+ nicht sahen. „Warum für etwas bezahlen, was es schon gibt?“, haben sie gesagt. Aber das ist eben das grundlegende Missverständnis. Das, was HD+ bietet, nämlich werbefinanzierte Free-TV-Programme in relevanter Anzahl in HD, hat es vorher nicht gegeben. Unsere Kunden haben den Zusatznutzen von HD+ inzwischen verstanden, geradezu verinnerlicht. Die Kundenzufriedenheit liegt bei 96 Prozent. So ein Ergebnis muss man sich hart erarbeiten, denn der Zuschauer kann ja ganz einfach ‚umschalten‘. Die hohe Zufriedenheit macht es überhaupt erst möglich, dass die Anzahl zahlender Haushalte wächst. Mit über drei Millionen verkauften HD+ Empfangsgeräten und über 634.000 zahlenden Kunden haben wir innerhalb von zweieinhalb Jahren eine Größenordnung erreicht, die die Branche sicher überrascht hat. Wir gehen auch davon aus, dass wir dieses Jahr noch die Marke von einer Million zahlender Haushalte erreichen.


    Was macht Sie da so optimistisch?


    ...die technische Reichweite. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, dass möglichst viele HD-Receiver auf den Markt gebracht werden. Wir haben heute über 30 verschiedene Hersteller, die über 90 Modelle anbieten. In den letzten zwölf Monaten wurden weit über ein Million HD+ fähige Geräte verkauft. Wir gehen davon aus, dass ein Großteil dieser Käufer nach zwölf Monaten bereit sein wird, für den HD+ Service zu bezahlen. Nachdem wir inzwischen gewisse Erfahrungswerte haben, wie viele Haushalte, die ursprünglich einmal HD-Empfangsgeräte gekauft haben auch wirklich HD+ verlängern, ist die Millionengrenze bis Ende 2012 ein ambitioniertes, aber realistisches Ziel.


    Besteht die größere Herausforderung jetzt also eher darin von den Fernsehsendern Leistungen einzufordern? Ihre Kunden wollen HD, zahlen dafür aber noch längst nicht alles ist in HD...


    Sie kriegen rund um die Uhr alles in HD.


    Aber nicht in echtem, nativem HD...


    Abgesehen von der Diskussion über nativ und nicht-nativ: Fast in jeder individuellen Empfangssituation verbessert sich das Fernseherlebnis mit HD und einem entsprechenden Flachbildschirm dramatisch. Am Ende ist es natürlich die Frage, was der Zuschauer dazu sagt. Bei Blockbustern, guten, neuen Serien, beim Sport und Dokumentationen überzeugen ihn die Bilder mit ihrer Brillanz, ihrer Schärfe und Farbtiefe. Außerdem wird der allergrößte Anteil dessen, was ab der Pre-Prime bis in die Primetime gesendet wird, eben dann, wenn das berühmte ‚Lagerfeuergefühl‘ entsteht, mittlerweile bereits in HD produziert. Schließlich muss es dem Zuschauer gefallen und Faszination auslösen. Und das tut es auch. Deswegen zeigt sich, dass ihre Bewertung wieder eine ist, die eher durch die journalistische Brille entsteht.


    Aber schadet es nicht der Akzeptanz von HD, wenn ein potentiell zahlender Kunde hochskaliertes SD-Signal sieht und von HD enttäuscht ist?


    Wie gesagt, 96 Prozent der Nutzer sind zufrieden. Aber in kleinen Diskussionszirkeln überlagert die Debatte über native oder nicht native Inhalte die grundsätzlichen Vorteile von HD. Um Missverständnisse auszuschließen, und auch im Sinne von mehr Transparenz, würden wir es begrüßen, wenn die Sender Formate kennzeichnen, die in HD produziert und ausgestrahlt werden. Wir gehen davon aus, dass einige Sender dies schon bald tun werden.


    Für SES ist HD+ in Deutschland der Einstieg in das Geschäft der direkten Beziehungen zum Zuschauer. Wie wichtig war das strategisch für den Konzern?


    Der Einstieg in die Adressierbarkeit von Kunden durch HD+ ist ein neuer, durchaus wichtiger Schritt. Schließlich ermöglichen wir damit unseren Geschäftspartnern, wie gerade schon beschrieben, neue Geschäftsmodelle, erlauben dem Nutzer gleichzeitig aber maximale Anonymität.


    Nur zu erfolgreich dürfen Sie nicht werden...


    Wieso?


    Wenn alle HD+ nutzen, könnten die Sender die SD-Verbreitung ja einstellen. Das wäre wirtschaftlich schlecht für Astra. Denn für die SD-Verbreitung zahlen die Sender ja noch...


    Da stellt sich die Frage: Was ist das Geschäftsmodell eines werbefinanzierten Senders? Er braucht Reichweite, Reichweite, Reichweite. Wenn man heute, nur um ein paar Euro einzusparen, das SD-Signal einstellen würde, dann würde das einen signifikanten Reichweitenverlust bedeuten, also auch hohe Ausfälle bei den Werbeeinnahmen. Insofern ist es ein sehr theoretisches Denkszenario.


    Ich komm nochmal mit meiner journalistischen Brille: Sie haben vor zwei Jahren gesagt, dass der Status Quo beim Thema Vorspulen zwischen Werbepausen von HD-Aufnahmen noch nicht ideal sei. Geändert hat sich nichts...
    In der Tat liegt es hier nicht am Wollen, sondern am Können, also letztendlich daran, die Punkte zu setzen, die dann ein Vorspulen erlauben und eben nicht erlauben. Da werde ich immer wieder von den Technikern auf den Boden der Realität zurückgeführt, dass dies technisch eine sehr große Herausforderung ist, vor allem dann, wenn Sie es umgehungssicher realisieren wollen. Die Grundidee der Vorspulrestriktion ist ja nicht, dem Zuschauer das Vorspulen grundsätzlich zu verbieten, sondern das Geschäftsmodell der Sender zu schützen. Ich glaube das ist ein legitimes Interesse, insbesondere dann, wenn ich nichts wegnehme. Die Programme in SD können sie ja wie gewohnt nutzen. Aber nochmals: Es liegt hier nicht am Wollen, sondern an der fehlenden technischen Umsetzbarkeit.


    Wo liegen denn die jetzt größten Herausforderungen für HD+? Im Wettbewerb mit den Kabelnetzbetreibern die nachgezogen sind?
    Ich glaube, dass wir uns im Vergleich zu den Kabelnetzbetreibern sehr gut sehen lassen können, vor allem wenn man sich die Anzahl der Sender und das Preis-Leistungs-Verhältnis anschaut. Die Tatsache, dass die Kabler endlich aufgesprungen sind, hilft uns grundsätzlich die HDisierung Deutschlands voranzutreiben. Deswegen gibt es da bei uns gar keine Sorge über Kabelnetzgesellschaften, die HD anbieten. Spannend wird für uns das Thema Smart-TV, das in aller Munde ist - also die Verbindung aus IP-Inhalten und Broadcast-Inhalten. Wegen der fehlenden Rückkanalfähigkeit war das war früher eine Schwachstelle vom Satelliten.


    Wobei sich daran ja nichts geändert hat...


    Aber inzwischen haben sehr viele Haushalte ohnehin eine Breitband-Verbindung, die offen ist für alle Geräte im Haushalt. Deswegen haben wir uns entschlossen wieder etwas für die Industrie zu tun, diese typische Stakeholder-Positionierung, die wir auch schon beim linearen Angebot HD+ hatten: Wir etablieren momentan HD+ SmartTV, ein Portal mit verschiedenen App-Angeboten, und zukünftig VoD-Anwendungen, Mediatheken und anderem mehr. Wir stellen dieses Portal jedem Set-Top-Boxen-Hersteller zur Verfügung. Für den Zuschauer ist dieses Portal selbstverständlich auch dann nutzbar, wenn der Haushalt kein HD+ Kunde mehr sein sollte. Will heißen: Ob die Karte steckt oder abgelaufen ist, das HD+ SmartTV-Portal ist immer verfügbar. Wir haben wieder nicht die Haken und Ösen, wie sie vielleicht ein anderer haben würde, sondern bei uns ist es wirklich fair.


    HD+ ist mal mit zwei Sendern gestartet. Wieviel haben Sie jetzt?


    Vierzehn.


    Und es gibt noch Potential nach oben hin?


    Ja, natürlich.


    Dann wollen aber immer mehr Sender etwas abhaben von den 4,16 Euro im Monat, die die Kunden zahlen. Wie lange können Sie die Kosten für die Kunden stabil halten?
    Wir werden auch mit dem heutigen Pricing noch wachsen in der Anzahl der Sender. Dennoch hat das Leben Kostenstrukturen. Es gibt so etwas wie eine Inflationsrate, steigende Technikkosten, steigende Mieten, und anderes mehr. Irgendwann wird sich das auch Einfluss auf den Preis haben, das ist ja logisch. Aber es gibt keine direkte Abhängigkeit, ob jetzt der 14., 15. oder 16. Sender dazu kommt.


    Also in diesem Jahr zumindest keine Preiserhöhung mehr?


    Klare Frage, klare Antwort: nein!


    Abschlussfrage: Ist HD aus Ihrer Sicht die Rettung des Mediums Fernsehen?


    Naja, das Wort Rettung impliziert ja, dass man in Not ist. Ich glaube die Not war überhaupt noch nicht da, weil die TV-Nutzung seit Jahren steigt. Natürlich gibt es das iPad auf dem Schoß und natürlich schaut der 14-Jährige pubertierende Sohnemann auch viel im Netz. Dennoch ist das Unmittelbare, die Live-Übertragung, nach wie vor eine Faszination. Und es gibt immer noch Must-See-TV. Deswegen war Fernsehen nie in Not, wenn die Inhalte stimmten. Aber HD ist eine Verjüngungskur, eine Präventionsmaßnahme, die natürlich allen gut tut. Das Schöne ist ja, wenn es allen gut tut - den Sendern, der herstellenden Industrie, dem Handel und dem Zuschauer, dann haben wir glaube ich vieles richtig gemacht. Vor allem dürfen Sie nicht vergessen: HD braucht extrem viel Bandbreite. Und dafür ist der Satellit mit Sicherheit auch in 20 Jahren noch der effizienteste Verbreitungsweg.


    Herr Schneckenburger, herzlichen Dank für das Gespräch.


    Quelle: dwdl